Janice Wimmer, Rémi Regazzoni
Skulpturenstandort
An der Eppinger Linie im Staatswald nördlich Maulbronn, Verlängerung Hilsenbeurer Straße
Hintergrund
Das Maulbronner Kloster geht auf eine Ordensniederlassung der Zisterzienser aus dem Jahr 1147 zurück. Der Orden der Zisterzienser wurde Ende des 11. Jahrhunderts im burgundischen Cîteaux nahe Dijon durch Robert von Molesme gegründet. Die Klosteranlage entwickelte sich durch das fortschrittliche Wirken der Mönche schnell zu einem wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zentrum der Region.
Das Königreich Burgund zählte in jener Zeit zum römisch-deutschen Kaiserreich. Unter Karl dem Großen umspannte das fränkische Königreich noch weite Teile des heutigen Deutschlands und Frankreichs, bevor seine Erben das Reich in einen West- und einen Ostteil trennten. Die gemeinsamen Wurzeln geraten immer wieder in Vergessenheit. Stattdessen stand der Streit um das Erbe, den Mittelteil des Reiches, häufig im Mittelpunkt des deutsch-französischen Verhältnisses.
Das Maulbronner Kloster war im 17. Jahrhundert Teil der Eppinger Linie. Insbesondere sollten die Mühle und die Großbäckerei vor französischem Zugriff geschützt werden, um nicht die Ernährung der feindlichen Truppen zu unterstützen. Die äußeren Wehrmauern rund um den Schafhof waren in die Schanzanlagen einbezogen. Der Judenturm wurde durch einen hölzernen Aufsatz als Chartaque verwendet.
Exkurs: Nach naturpsychologischen Studien bestehen weltweit sehr einheitliche Vorstellungen über den Aufbau schöner Landschaften. Wohl noch geprägt von den Bedürfnissen unserer steinzeitlichen Vorfahren an ihren Lebensraum gilt eine baumbestandene Savanne als Idealtypus einer Landschaft.
Die Skulptur
Im Wald bei Maulbronn zeigen vier große Fotowände – gestaltet durch die französischen Fotokünstler Janice Wimmer und Rémy Regazzoni - das Panorama eines französischen Waldbildes. Es entsteht ein Raum der Reflektion und der Besinnung, auch der Verunsicherung durch Spiegelungen und Wiederholungen, welche zum genauen Betrachten auffordern. Man steht im Wald, fühlt sich aber dennoch der Natur entrückt und wird in eine künstliche Welt geführt. Französische Natur, französische Kultur treten in Kommunikation mit der deutschen Natur und Kultur.
„Das Bild dieses französischen Waldes wurde am Computer verändert, um Teile des Motivs zu wiederholen. Diese Form der „Selbstreproduktion“ ist der Natur vergleichbar, die sich auch ständig erneuert. Der natürliche Kreislauf, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft scheinen in einem einzigen Panorama vermengt zu sein, in das wir uns versenken – wie durch ein Labyrinth angezogen.
Die vier Fototafeln sind die Wände eines Interieurs, in das der Zuschauer eintritt. Ein Dialog zwischen dem abgebildeten Wald und dem realen Wald bahnt sich an. Der Dialog entwickelt sich abhängig vom Wetter, den Jahreszeiten, den Pflanzenarten, die im Blickfeld erscheinen… Wo liegen die Übergänge zur Natur mit ihrem Kreislauf der Erneuerung?
Entlang einer alten Verteidigungslinie aufgestellt zeigt uns das Werk, was nach dem Krieg, nach der Menschheit, nach dem Verschwinden der letzten Spuren unserer Geschichte sein könnte. Es verweist uns auf unsere Sterblichkeit und hinterfragt unseren Platz in der Welt. Dieses Hinterfragen ist heute umso wichtiger, als der Mensch die Natur gleichermaßen als heilig verehrt und sie zerstört.“
« L’image de cette forêt française a été transformée informatiquement de manière à en répéter le motif. Cette forme d’ « auto-reproduction » est comparable à la nature qui se régénère constamment. Le cycle naturel, le passé, le présent et l’avenir semblent se confondre dans une seule vue panoramique devant laquelle nous acceptons de prendre notre temps comme attiré dans ce labyrinthe.
Ces 4 panneaux photographiques sont les cloisons d’un « intérieur » dans lequel le spectateur s’introduit. Un dialogue se noue entre la forêt représentée et celle bien réelle du lieu d’installation de l’œuvre. Dialogue qui évoluera en fonction de la météo du jour, des saisons, des espèces végétales qui apparaîtront dans le champ de vision… Que peut bien représenter, signifier les frontières pour la nature et son mouvement inéluctable de renouvellement ?
Installée le long d’une ancienne ligne de défense, cette œuvre nous laisse envisager ce qu’il pourrait advenir après la guerre, après l’humanité, après la disparition des dernières traces de notre histoire. Elle nous renvoie à notre condition de mortel et questionne notre place dans le monde. Questionnement d’autant plus important aujourd’hui que l’homme sacralise la nature aussi bien qu’il la détruit. »
Janice Wimmer und Rémi Regazzoni
Wie sich der Wald nach Sturmschäden oder einem Kahlschlag regeneriert, wenn er in Ruhe gelassen wird, so wachsen nach einem Krieg neue Generationen heran. Der Kreislauf des Lebens geht weiter. Spuren in der Natur werden wie die Eppinger Linie von der Natur zurückerobert und überwachsen.
Und heute?
Gerade am Standort Maulbronn wird die über Jahrhunderte verwobene gemeinsame Geschichte Deutschlands und Frankreichs ersichtlich.
Nach dem „Import“ von Kultur und Landschaftsgestaltung aus Cîteaux durch die Zisterziensermönche in Maulbronn findet erneut ein kultureller Austausch durch die Schaffung dieses Werkes durch französische Künstler in Kooperation mit einem deutschen Künstler statt. Das importierte Waldbild aus Frankreich ist für sich genommen bereits ein Zeichen des Friedens, der guten Verständigung und Nachbarschaft zwischen Deutschland und Frankreich.
Wir müssen uns unserer gemeinsamen Wurzeln stets bewusst sein – und die kulturellen Unterschiede als Bereicherung empfinden.